Ausstellung

Kwanho Yuh
Fotografie

zusammen mit

Michael Zwingmann
Skulptur

Ausstellungsdauer   16.07. bis 09.10.2022
Öffnungszeiten   Samstag und Sonntag
jeweils von 14.00 - 18.00 Uhr
Eintrittspreis   Der Eintritt ist frei

Gezeigt werden 27 Arbeiten von Kwanho Yuh + 13 Arbeiten von Michael Zwingmann


Kwanho Yuh

Kwanho Yuh
1962 geboren in Seoul, Südkorea
1985 Diplom Freie Kunst (Malerei), Teagu (Südkorea)
1990 - 1996 Studium der Freien Kunst (Fotografie) FH Hannover
1997 – 1998 Meisterschülerin bei Heinrich Riebesehl
1999 - 2006 Lehrauftrag für Fotografie, Uni Lüneburg
2002 – 2009 Lehrauftrag für Fotografie, HAWK Hildesheim
2010 Gastprofessur Soongsil Universität, Seoul, Südkorea
2012 – 2014 Lehrauftrag für Fotografie, HAWK Hildesheim
lebt und arbeitet seit 1990 in Hannover

Kwanho Yuh begann ihre künstlerische Laufbahn mit Malerei und Graphik. Die Fotografie begleitet ihren Berufsweg von Anfang an. Eine Studienreise, die sie nach Indien, Nepal, Japan, USA und Frankreich führt und bei der sie ihren späteren Ehemann, den Bildhauer Michael Zwingmann, kennenlernt, prägt das Verhältnis zur Arbeit mit der Kamera nachhaltig. Der Fotoapparat, sonst Dokumentationsmedium und Erinnerungsstütze ist bei Kwanho Yuh stets auch eine Möglichkeit des künstlerischen Ausdrucks. Noch während des Studiums in Hannover beteiligt sich die Künstlerin mit ihren Fotoarbeiten an Einzel- und Gruppenausstellen im In- und Ausland. Die Fotokünstlerin Kwanho Yuh ist keine Genre-Fotografin. Auch sind ihre Bildmotive weder populär noch eingängig. In der Auswahl der Motive legt sich die Künstlerin nicht fest. Für sie ist Fotografie das Ausdrucksmedium einer vielschichtigen künstlerischen Aussage, die über das rein Abgebildete hinausgeht. Kwanho Yuh bearbeitet in ihren Fotoarbeiten, die nicht selten Foto-Serien, Bild-Anordnungen oder Zusammenführungen von Bild-Fragmenten sind, die unterschiedlichsten Themenfelder. Sie konfrontiert den Betrachter mit Fotografie, die Fragen aufwirft, zum Denken anstößt, niemals platt offenkundig, stets um Ecken gedacht, mit Bildtitel, die den Zugang zum Thema einleiten. Hat die großformatige Fotoarbeit den Betrachter angelockt und in ihren Bann gezogen, begibt er sich auf die Suche nach des Rätsels Lösung. Klare, übersichtliche Bildstrukturen in perfekter Abbildungsqualität mit erkennbaren Motiven erleichtern den Zugang. Nicht immer ist man gleich auf der richtigen Fährte. In der Bilderserie Seed-Bank (Samen-Bank) in der die Künstlerin Samenkörner in verschiedenen Handflächen abgebildet hat, verweist sie auf die Beziehung Mensch – Natur. Auf die gegenseitige Verletzlichkeit, aber auch auf das aufeinander Angewiesen seins und die Schutzverpflichtung des Menschen der Natur gegenüber. Bei den Blickachsen 2, der deutschlandweit bedeutendsten Skulpturenausstellung im Kurpark von Bad Homburg an Fuße des Taunus, stand dazu noch eine aus Kalkstein (Marmor) herausgeschlagene und teilweise geschliffene Sitzbank, die Parkbesucher als Sitzmöbel nutzten und auf der sich gelegentlich die Samen der umliegenden Parklandschaft zum Stelldichein traf. Bei der ebenfalls hier zu sehenden Bilderserie „12 qm nach § 14“ zeigt die Künstlerin vier Schwarz-weiß-Fotoarbeiten, die Erinnerungsstücke in den Zimmern von Heimbewohnerinnen zeigen. Die ausgestellten Werke sind aufwendig hergestellte Fotos-im-Foto-Aufnahmen, die die letzten Erinne-rungsstücke von Heimbewohnern zeigt, die denen nach dem Umzug ins Heimzimmer blieben. Obwohl man sich als Betrachter gut den mehr oder weniger traurigen oder befreienden Vorgang des Aussuchens und Zurücklassens von jahrzehntelang vertrauter Umgebung vorstellen kann, lachen die Heimbewohnerinnen freundlich aus den Fotos heraus, wohlwissend, dass sie das Wenige was ihnen blieb zwar kurz, aber bis zum Lebensende begleiten wird.

Die dem Möbius-Band nachempfundene Bildschleife trägt den Titel „Stromaufwärts“. Auf zurecht gebogenen und zusammengeschraubten Aluminiumblechen sind beidseitig Fotos von Teilen von Gepäckbändern aus dem Untergrund von Flughafengebäuden zu sehen. Von den Rotationsmaschinen in Zeitungsdruckereien ähnlichen Anlagen werden die Gepäckstücke der Fluggäste eingesammelt und verteilt. Stellt man sich vor, wie Gepäckstücke auf dieser Möbius-Schleife in einem immer Wiederkehrenden Kreislauf den Untergrund durcheilen und niemals ihr Ziel erreichen, kann man sich vorstellen, dass künftig Fluggästen flau in der Magengegend wird, wenn sie ihr Gepäck im Untergrund verschwinden sehen.

In Kwanho Yuhs Vorstellungswelt ist das Foto nicht das Kunstwerk, sondern das Medium zum Transport ihrer künstlerischen Idee. Erkennt man die Gedanken die hinter dem Bild stehen, verliert das Foto an ursprünglicher Bedeutung und wird in einem neuen Zusammenhang gesetzt. Der „Schutzengel“ befriedigt sämtliche Schutzbedürfnisse in uns. Er ist groß, bewaffnet und blickt seinem Gegenüber freundlich ins Gesicht. Wo ist das Problem!? Man braucht nicht lange zu suchen. In einer realen Notlage wird der übergroße Papp-Kamerad nicht die Hilfe sein, die man braucht. Rasch verliert das Foto die Wirkung. Außerdem haben Cops in USA gelegentlich einen zweifelhaften Ruf. Da gerät der Schutzsuchende möglicherweise vom Regen in die Traufe.

Kwanho Yuh lässt den Betrachter nicht beim ersten Eindruck zurück. Sie gibt mehr, sie spricht verschiedene Seiten und Betrachtungsweisen in ihren Arbeiten an. Sie nennt niemals Lösungen, denn dafür eignet sich Kunst nicht aber sie zeigt die Bilder hinter den Bildern, die Räume hinter der Fotografie. Und das alles versteckt sich hinter einem wundervoll seltsamen Stück Fotopapier.

Michael Zwingmann

Michael Zwingmann
1964 geboren in Hannover
1985 – 1993 Studium der Freien Kunst an der FH Hannover
1987 – 1988 Studienjahr in Indien
Studienreisen nach Korea, Japan, Nepal und den USA
1999 - 2008 Lehrauftrag an der Universität Lüneburg
seit 2006 Dozent am GSI Institut für Bronzeguss (Bad Bevensen)
seit 2007 künstlerischer Mitarbeiter an der TU Braunschweig
lebt und arbeitet in Hannover

Als Beikost zu den Fotoarbeiten Kwanho Yuhs sind noch einige Arbeiten des Bildhauers Michael Zwingmanns in die Ausstellung eingestreut. Michael Zwingmann, der nicht nur ihr Künstlerkolege sondern auch ihr Ehemann ist und mit dem sie zwei reizende, asiatisch angehauchte Töchter hat, wurde hier 2011 zusammen mit Manfred Hebenstreit gezeigt, so dass ihnen seine Kunst nicht unbekannt sein dürfte. Begonnen hat bei Michael Zwingmann alles mit dem Bronzeguss, mit dem er sich nach dem Abitur als Student der Bildhauerei an der FH Hannover, intensiv beschäftigte. Durch eine Projektarbeit, für die er in der Folge auch ausgezeichnet wurde, lernte Michael Zwingmann mit Asphalt zu arbeiten. Auch ist Bronzeguss aufwendig und teuer, so experimentierte der junge Künstler früh mit anderen Materialien und wendet sich schließlich in den Anfangsjahren vorwiegend dem Asphalt zu. Das Material ist kostengünstig, in jeder beliebigen Menge verfügbar, gut verarbeitbar und schwarz.

Durch Auslandsaufenthalte und Ausstellungsbeteiligungen in Norwegen, Korea, Japan, Indien, den USA, Italien und England, bereiste der Künstler die unterschiedlichsten Kulturkreise und kam bei seiner Arbeit dort, mit den verschiedensten künstlerischen Ausdrucksformen in Berührung. Früh fühlt er sich der fernöstlichen Kultur verbunden und schöpfte daraus für sein Leben und seine Kunst Kraft und Ideen. Nicht, dass beim Künstler Elemente dieser Kulturen direkt in seine Werke eingeflossen wären, vielmehr ist es die, in seinen Arbeiten allgegenwärtige Disziplin, mit der der Bildhauer schnörkellos sein künstlerisches Konzept umsetzt. Penibel geplante und überlegt arrangierte fein ironische Szenarien, mit denen er ohne Umwege zum Thema seiner Arbeit kommt. Direkt und unvermittelt setzt er den Betrachter seiner Kunst aus.

Michael Zwingmanns Kunst regt nicht nur zum Sehen, sondern stets auch zum Denken an, weil der Künstler in seine Arbeit nicht nur ästhetische Überlegungen einfließen lässt, sondern immer auch ein komplexes Gedankengeflecht. Dort zeigt sich die Verbindung zu seiner Ehefrau Kwanho. Die Kunst des Bildhauers irritiert den Betrachter, auch wenn man als solcher glaubt, den Inhalt eines Kunstwerks rasch erfasst zu haben. Die Irritation dabei kommt schleichend oder unvermittelt und ist von Kunstwerk zu Kunstwerk ein andere. Oft ist es eine hintergründige Ironie, wie beim „Grenzgänger“ im Obergeschoß. Die mit dem Trabbi über die geöffnete Grenze eingereiste und mit reichlich Begrüßungsblüten freudig bejubelte Ostbevölkerung auf kleinformatiger Farbfotografie, steht ein zur Skulptur umgestalteter Teil einer Grenzbefestigung als Mahnmal gegenüber.

Nichts an Michael Zwingmanns Kunst ist einfach oder nur ästhetisch, auch nicht seine Ein-Objekt-Skulpturen, bei denen sich der Eindruck von Versuchsanordnungen aufdrängt. Seine „Hinterlassenschaft“ z.B. im Zwischengeschoß rechts, sieht der Betrachter bei näherer Beschäftigung die Überreste eines von der Hitze eines vorbei gezogenen Lavastroms ausgeglühten Gebäudes. Das Haus als Schutzraum, als sichere Rückzugsstätte, entrissen durch hereinbrechende Naturgewalten. Man denkt nicht nur an den Vulkanausbruch auf den Kanaren, oder die Flutkatastrophen an der Ahr oder 2016 hier in Simbach am Inn, wo es einem bewusst wurde, wie übermächtig und unvermittelt Naturgewalten auftreten können.

In den letzten Jahren wendet sich der Künstler wieder mehr der Stahlplastik zu. Außerdem entstehen verschiedene Metallgüsse in kleineren Formaten. Zwei davon können sie in einem der hinteren Räume im Zwischengeschoß bewundern. Im Messingguss „König des Tanzes“ diente eine tote Ratte, die sich in einem Stromkasten verirrt hatte als Vorbild. In Michael Zwingmanns Werk wandelt sich das tote Tier in Nataraja, einer Erscheinungsform des Hindu-Gottes Shiva. In seiner Form als König des Tanzes führt Shiva einen kosmischen Tanz auf, welcher den Prozess von Schöpfung, Zerstörung und Wiedererschaffung des Universums symbolisiert. Im Bronzeguss „Reisende“ sehen sie zwei Vögel, die etwas erhöben einander zugewandt scheinen, als hätten sie sich im Flug ein letztes Mal getroffen um gemeinsam in den Tod zu gehen. Das Vorbild zu dieser Arbeit, zwei tote ineinander verkrallte Vogelkadaver, lagen am Wegrand.

Die 2 Modelle (1 zu 5 und 1 zu 10) der Großplastik zu Ehren des 100. Geburtstages der Politologin und Schriftstellerin Hannah Arendt, die sie ebenfalls hier im Zwischengeschoss bestaunen können und die in der Großversion (Höhe: 5 m) vor dem Hannah-Arendt-Gymnasium in Barsinghausen bei Hannover steht. Die Stahlkonstruktion, die sich aus drei gleichmäßigen Teilen zusammenfügt und in eine freie geodätische Kuppel mündet, deren Mittelpunkt ein Oktaeder bildet. Der Philosoph Platon beschreibt diesen idealen geometrischen Körper in seiner kosmischen Spekulation über die Entstehung der Welt. In der räumlichen Überlagerung sind im Zentrum zwei ineinander verwobene Dreiecke zu entdecken, ein zufälliger Hinweis auf Hannah Arendts jüdische Herkunft. Mit dem platonischen Körper des Oktaeders ist darüber hinaus, nach Auffassung des Künstlers, auch ihr Selbstverständnis und Handeln als politische Philosophin eingebunden.